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5123537 Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen 2017 10 Pages PDF
Abstract

ZusammenfassungHintergrundGesetzliche Krankenkassen in Deutschland sind verpflichtet, Verträge der hausarztzentrierten Versorgung (HzV) anzubieten. Die Teilnahme für die Versicherten ist freiwillig. Die Teilnehmer willigen ein, ambulante fachärztliche Leistungen nur nach Überweisung durch den Hausarzt („Lotse“) in Anspruch zu nehmen. Neben der beabsichtigten Stärkung der Rolle des Hausarztes sind weitere Ziele dieser Verträge, medizinisch nicht notwendige Facharztbesuche und Doppeluntersuchungen zu vermeiden. Zudem soll die Qualität der Versorgung gestärkt werden und eine Kostenreduktion wird angestrebt. In der gesundheitspolitischen Debatte wird kontrovers diskutiert, ob diese Ziele mit den aktuellen HzV-Versorgungsverträgen erreicht werden können. Zielsetzung dieser Studie war es daher, eine gesundheitsökonomische Evaluation der HzV im Vergleich zur Standardversorgung durchzuführen.MethodenErwachsene, durchgängig versicherte HzV-Teilnehmer mit einem Einschreibungsbeginn im Jahr 2011 wurden anhand von Routinedaten der AOK Rheinland/Hamburg identifiziert. Die Analysen erfolgten auf Basis eines 1:3 Kontrollgruppendesigns. Eine logistische Regression mit relevanten Charakteristika (Soziodemografika, Leistungsinanspruchnahmen sowie Kosten und Morbidität gemessen durch den Charlson-Komorbiditätsindex) von Teilnehmern und Nicht-Teilnehmern wurde durchgeführt, um die Teilnahmewahrscheinlichkeit am HzV-Vertrag zu schätzen. Mit dem anschließenden Propensity-Score-Matching konnten Unterschiede in den Charakteristika zwischen Kontroll- und Interventionsgruppe zum Basisjahr 2010 ausgeglichen werden, um im Folgenden den Einfluss des HzV-Vertrags evaluieren zu können. Auswertungsgegenstand waren Kostenunterschiede sowie die Leistungsinanspruchnahmen der HzV-Teilnehmer im Vergleich zur Kontrollgruppe.ErgebnisseDie Interventionsgruppe umfasste 25.201 HzV-Teilnehmer mit einem Durchschnittsalter von 49,5 Jahren [SD: 17,9]. 54,4% der Teilnehmer waren weiblichen Geschlechts. Die HzV-Teilnehmer wiesen im ersten und zweiten Jahr der Einschreibung signifikant höhere Kosten im Vergleich zur Kontrollgruppe auf. Die Arzneimittelkosten summierten sich im ersten Jahr auf durchschnittlich 499 € [SD: 2.021] im Vergleich zu 477 € [SD: 2.050] in der Kontrollgruppe und im zweiten Jahr auf 544 € [SD: 2.758] im Vergleich zu 522 € [SD: 2.341]. Die Analyse zeigte bei den HzV-Teilnehmern zudem eine höhere Anzahl von Facharztkontakten mit Überweisung vom Hausarzt. Darüber hinaus sank die Verweildauer im Krankenhaus für die eingeschriebenen Versicherten.DiskussionDie höheren Kosten und das Inanspruchnahmeverhalten von Leistungen lassen auf eine höhere Morbidität der HzV-Teilnehmer schließen, die sich in dieser Studie im Charlson-Komorbiditätsindex zeigte und auch im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung gültig ist. Bei einem in beiden Gruppen insgesamt steigenden Kostenniveau war bei den HzV-Teilnehmern ein geringerer relativer Kostenanstieg im Jahr 2 gegenüber der Vergleichsgruppe festzustellen. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass Effekte der HzV vor allem in der langen Sicht zu erwarten sind. Weiterhin ist im Hinblick auf die Zielsetzung der Hausarztverträge darauf hinzuweisen, dass eine Versorgungs- und Qualitätsverbesserung nicht zwingend gleichzeitig mit Kosteneinsparungen zu erreichen ist. Da innerhalb der Daten nicht zwischen Patientenverhalten und Arztverhalten unterschieden werden konnte, sind die Ergebnisse im Hinblick auf die Kausalität mit entsprechender Vorsicht zu interpretieren.

BackgroundHealth insurance funds in Germany are obliged to offer family doctor-centred health care models (Hausarztzentrierte Versorgung, “HzV”). The participation is voluntary for the insured persons. Participants agree to utilise outpatient specialist care only if their family doctor or general practitioner (“gatekeeper”) refers them to a specialist. The aim of this programme is to both strengthen the role of general practitioners and to avoid unnecessary specialist visits and double examinations. Moreover, the quality of care should increase and costs decrease. There is a controversial debate among health politicians whether these objectives can be achieved with current HzV contracts. Therefore, the aim of this project was to conduct an economic evaluation of family doctor-centred health care compared with the standard of care.MethodsThe analysis covered continuously insured adult HzV participants, who have been enrolled in the contract offered by a large German sickness fund (AOK Rheinland/Hamburg) since 2011. In addition, the analysis contained data of a control group which was three times larger than the intervention group. Logistic regression analysis with relevant characteristics (social demographics, health care utilisation, cost, and Charlson Comorbidity Index) of participants and non-participants was conducted to assess the likelihood of participation in the HzV contract. With the subsequent propensity score matching, differences in the characteristics between the control and the intervention group were compensated for the base year 2010 in order to be able to evaluate the influence of the HzV contract in subsequent years. Study objectives were to analyse differences in costs as well as utilisation of services between HzV participants and the control group.ResultsThe intervention group consisted of 25,201 HzV participants with an average age of 49.5 years [SD: 17.9]. 54.4% of them were female. The HzV participants showed significantly higher costs compared to the control group in the first and in the second year after enrolment. Drug costs in the first year added up to an average of 499 EUR [SD: 2,021] compared to 477 EUR [SD: 2,050] in the control group. In the second year, the drug costs were 544 EUR [SD: 2,758] in the intervention group and 522 EUR [SD: 2,341] in the control group. In addition, the analysis showed a higher number of specialist referrals issued by general practitioners in the intervention group. However, the length of stay in hospitals was shown to be decreasing for HzV participants.DiscussionThe higher costs and use of services indicate a higher morbidity (Charlson Comorbidity Index and in comparison to the German population) of HzV participants. The cost level increases in both groups, but within the group of HzV participants, the relative cost increase in the second year was lower than in the control group. The results of this study demonstrate that family doctor-centred health care is assumed to be more efficient in the long term. With regard to the objective of these contracts, quality improvement may not be achievable at the same time as cost savings. As our data set cannot distinguish between changes of patient behaviour and physician behaviour, the results of our study need to be interpreted with caution.

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