CAM-Präparate als therapeutische Placebos: wissenschaftstheoretische und medizinethische Überlegungen

ZusammenfassungDie ‚Integration‘ von CAM-Interventionen durch die Konventionelle Medizin ist gegenwärtig in Deutschland wie in anderen Ländern ein ebenso reales wie umstrittenes Projekt. Eine der ,Rechtfertigungs-Türen‘, durch die CAM-Maßnahmen auch dann akzeptiert werden, wenn sie nach den wissenschaftlichen Maßstäben der Konventionellen Medizin klarerweise keine spezifische Wirksamkeit zeigen, ist ihr Einsatz als therapeutische Placebos. In diesem Aufsatz werden zunächst generelle kritische Überlegungen zum Umgang mit (verdeckten) Placebos in der wissenschaftsorientierten medizinischen Praxis referiert und diskutiert. Sodann wird argumentiert, dass mit Blick auf die Verwendung von CAM-Präparaten als therapeutische Placebos die ethischen Vorbehalte noch einmal dadurch verstärkt werden, dass auf diesem Weg bei Ärzten wie Patienten eine unwissenschaftliche oder anti-wissenschaftliche Grundhaltung befördert wird, die wir für hochgradig problematisch halten.

SummaryIn Germany as well as in many other countries the project of ‘integrating’ CAM interventions into conventional medicine is currently underway. It is a highly contested endeavour. One backdoor of justifying CAM interventions - even if, according to the scientific standards of conventional medicine, they have been proved to lack specific effectiveness - is their use as therapeutic placebos. In this paper we will first discuss general critical considerations regarding deceptive placebo use and then argue that in the specific case of CAM interventions used as placebos general ethical reservations are reinforced by the fact that their use is prone to promote a non- or antiscientific attitude among physicians and patients, which we consider highly problematic.