Screening für diabetische Retinopathie bei Typ-2-Diabetes: Eine kritische Evaluation der jährlichen Routine

ZusammenfassungHintergrundDie Nationale Versorgungsleitlinie Diabetes aus dem Jahr 2010, die derzeit in Überarbeitung ist, empfiehlt ein jährliches Retinopathie-Screening für alle Typ-2-Diabetiker. Fragen von Patienten und hausärztlichen Kollegen über den Nutzen dieser Empfehlung veranlassten uns zu einem kritischen Review.MethodikAnhand von Leitlinien aus sechs Industrienationen, aktuellen wissenschaftlichen Studien und versorgungsmedizinischer Daten aus dem DMP Diabetes mellitus Typ 2 der KV Nordrhein werden verschiedene Screeningkonzepte verglichen und die Versorgungsqualität thematisiert.ErgebnisseDie Leitlinien aus England, Australien, USA, Schweden, Canada und Deutschland zeigen Unterschiede bezüglich der Screeningempfehlungen: in vier Ländern wird ein festes Screeningintervall, in zwei Ländern (Schweden, Canada) ein individualisiertes Retinopathiescreening, das das Risikoprofil des einzelnen Patienten berücksichtigt, alle 1 bis 2 bzw. 3 Jahre empfohlen. Aktuelle wissenschaftliche Daten weisen darauf hin, dass das Screening-Intervall für Diabetiker ohne Retinopathie auf 2 bis 3 Jahre erhöht werden kann, ohne dass bei konsequenter Umsetzung eine Verschlechterung des Health Outcome zu erwarten ist.SchlussfolgerungenEin individualisiertes Retinopathie-Screening, das das Risikoprofil des jeweiligen Patienten berücksichtigt, kann eine sinnvolle Alternative sein, um das bestmögliche Health Outcome zu erreichen und gleichzeitig eine Überversorgung zu vermeiden.

SummaryBackgroundThe German diabetes guideline published in 2010 recommends an annual retinopathy screening for all type 2 diabetics. Patients’ and physicians’ questions about the need for this routine procedure prompted our critical review.MethodsBased on guidelines from six industrial nations, recent scientific studies, and from the type 2 disease management programme of North Rhine-Westphalia we reviewed alternative retinopathy screening strategies and their implications for over- and underuse.ResultsA comparison of the English, Australian, US, Swedish, Canadian and German guidelines shows that a fixed screening interval is recommended in four countries, while an individualised, risk profile-adjusted screening interval of up to two to three years is favoured in two countries (Sweden, Canada). Current studies indicate that diabetes patients without retinopathy may safely be screened every two to three years without adverse health outcomes if performed consequently.ConclusionsAn individualised retinopathy screening based on the patient's risk factor profile may be a reasonable alternative to achieve the best possible health outcome and to avoid overuse.