First the facts, then the values? Implicit normativity in evidence-based decision aids for shared decision-making

SummaryThis paper focuses on the ethics of constructing and using a specific evidence-based decision aid that aims to contribute to clinical shared decision-making processes. Results of this integrated empirical ethics study demonstrate how both the production and presentation of scientific information in an evidence-based decision-support contain implicit presuppositions and values, which pre-structure the moral environment of the shared decision-making process. As a consequence, the evidence-based decision support did not only support the decision-making process; it also transformed it in a morally significant way. This phenomenon undermines the assumption within much of the literature on patient autonomy and shared decision-making implying that information disclosure is a conditional requirement before patient autonomy and shared decision-making even starts. The central point of this paper is that decision aids and evidence-based medicine are not value-free and that patient autonomy and shared decision-making are already influenced during the production and presentation of scientific information. Consequences for both the development of decision-aids and the practice of shared decision-making are discussed.

ZusammenfassungDer vorliegende Beitrag befasst sich mit der Ethik der Erstellung und Anwendung spezifischer evidenzbasierter Entscheidungshilfen, deren Ziel es ist, die Prozesse der partizipativen Entscheidungsfindung in der Medizin zu unterstützen. Die Ergebnisse dieser integrierten empirischen Ethikstudie zeigen, dass sowohl die Erstellung als auch Präsentation wissenschaftlicher Informationen in einer evidenzbasierten Entscheidungshilfe implizit Vorannahmen und Wertvorstellungen enthält, die das moralische Umfeld des partizipativen Entscheidungsfindungsprozesses vorstrukturieren. Infolgedessen wurde der Entscheidungsfindungsprozess durch die evidenzbasierte Entscheidungshilfe nicht nur unterstützt, sondern außerdem auf moralisch signifikante Art und Weise geformt. Dieses Phänomen untergräbt die in einem Großteil des Schrifttums im Zusammenhang mit Patientenautonomie und partizipativer Entscheidungsfindung anzutreffende Annahme, nach der die Weitergabe von Informationen als notwendige Bedingung gilt, bevor Patientenautonomie und partizipative Entscheidungsfindung überhaupt greifen können. Die wesentliche Aussage dieses Beitrags ist, dass Entscheidungshilfen und evidenzbasierte Medizin nicht wertfrei sind und dass bereits bei der Erstellung und Präsentation wissenschaftlicher Informationen Einfluss auf Patientenautonomie und partizipative Entscheidungsfindung genommen wird. Des Weiteren werden die Konsequenzen daraus sowohl für die Entwicklung von Entscheidungshilfen als auch für die Praxis der partizipativen Entscheidungsfindung erörtert.